Zeitarbeit ist grundsätzlich nur vorübergehend zulässig – aber selbst bei 55 Monaten Beschäftigungsdauer hat ein Leiharbeiter keinen Anspruch auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, so der Europäische Gerichtshof.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in seinem Urteil vom 17.03.2022 – Az. C – 232/20 mit dem Begriff der vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung und einer möglichen Festanstellung bei sehr langer Entleihung von Arbeitnehmern beschäftigt.

In der Zeitarbeit herrscht eine Dreieckskonstellation zwischen Personaldienstleister (Verleiher), Zeitarbeitnehmer:innen und dem entleihenden Unternehmen, dem sog. Entleiher.

Viele Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter werden über Zeitarbeitsfirmen an Unternehmen – sog. Entleiher – entliehen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden von diesen entleihenden Unternehmen über einen sehr langen Zeitraum entliehen.

Es stellt sich nun die Frage, wie lange darf eine Leihe von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betragen und entsteht hierdurch ein festes Arbeitsverhältnis mit dem entleihenden Unternehmen?

Entleihdauer nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz

Nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetzt, kurz AÜG, ist eine Arbeitnehmerüberlassung nur für einen begrenzten Zeitraum zulässig.

§ 1 Abs. 1b AÜG besagt,

Der Verleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen; der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate tätig werden lassen. Der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen.

Das Arbeitnehmerüberlassungsrecht ist ein sehr komplexer Bereich. Trotz vieler Entscheidung auf nationaler und europäischer Ebene folgt die Komplexität aus der Richtlinie 2008/104/EG v. 19.11.2008 zur Leiharbeit sog. Leiharbeitsrichtlinie – wie auch das aktuelle Urteil des Europäischen Gerichtshofes zeigt.

Begriff der vorübergehenden Entleihe

Das aktuelle Urteil des EuGH legt nunmehr weitere Auslegungshinweise für den Begriff der vorübergehenden Entleihung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern fest.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger war seit dem Jahr 2014 bei einem Leiharbeitsunternehmen beschäftigt. Seine Arbeitsleistung hatte er aufgrund einer Zusatzvereinbarung bei der Daimler AG als Metallarbeiter zu erbringen.

Der Kläger wurde vom 1.9.2014 bis 31.5.2019 bei der Beklagte, der Daimler AG, ausschließlich in der Motorenfertigung eingesetzt. Der Zeitraum umfasste auch eine zweimonatige Elternzeit bedingte Unterbrechung.

Die Entleihe / Verwendung des Klägers bei der Beklagten betrug 55 Monate!

Die Überlassungshöchstdauer bei der Beklagten betrug aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung iVm. dem Tarifvertrag zur Leih-/Zeitarbeit für die Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg 36 Monate. Erfasst wurde der Zeitraum ab 1. Juni bzw. 1 April 2017.

Der Kläger verfolgte mit seiner Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin das Ziel der Feststellung, dass zwischen ihm du der Beklagten ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei.

Zur Begründung wurde angeführt, dass die lange Überlassung des Klägers an die Beklagte nicht mehr als nur vorübergehend im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetztes und der Betriebsvereinbarung anzusehen ist.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) legte nun dem EuGH mit Beschluss vom 13.5. 2020 – Az. 15 Sa 1991/19 einige Fragen zur Entscheidung vor – unter anderem:

Ist eine Überlassung eines Leiharbeitnehmers bei einer Gesamtdauer der Überlassung von 55 Monaten noch als vorübergehend iSd. Leiharbeitsrichtlinie anzusehen?

Grundsatz der Überlassungsdauer – nur 18 Monate

Art. 1 der Richtlinie besagt,

Diese Richtlinie gilt für Arbeitnehmer, die mit einem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben oder ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen sind und die entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, um vorübergehend unter deren Aufsicht und Leitung zu arbeiten.

Der Grundsatz nach dem AÜG besagt, dass die maximale Überlassungsdauer 18 Monate beträgt. Eine Ausdehnung über die 18 Monate hinaus ist nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG jedoch zulässig.

Das nunmehr geltende AÜG seiht in § 9 Abs. 1 Nr. 1b iVm. § 10 vor, dass bei einem Überschreiten der Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeiter und dem Entleiher zustande kommt. Es gibt jedoch Ausnahmen, nach denen die Überlassungsdauer länger als 18 Monate betragen darf.

Im Zuge verschiedener Reformen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde der zulässige Zeitraum der Überlassung immer wieder neu festgesetzt.

Die Reform beinhaltete bspw. dass die Überlassungshöchstdauer 1985 von 3 auf 6 Monate verlängert wurde. Im Jahr 2003 wurde die Höchstdauer grds. abgeschafft, dh einen festgelten Zeitraum gab es nicht mehr. 2017 wurde jedoch zum Schutz der Leiharbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer die Überlassungshöchstdauer auf 18 Monate festgelegt.

Sowohl Tarifgebundene als auch nicht tarifgebundene Entleiher können unter bestimmten Voraussetzungen wie bspw. einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung die Überlassungshöchstdauer verlängern.

Das Arbeitsverhältnis zwischen Zeitarbeitsunternehmen und Leiharbeitnehmer gilt mit Überschreitung der Höchstüberlassungsdauer als unwirksam (§ 9 AÜG).

Als Konsequenz kommt ein Arbeitsverhältnis zwischen Kunden und Arbeitnehmer zustande

ABER – es bestehen noch Unklarheiten bzgl. der Auslegung des Merkmales „vorübergehend“!

Entscheidung des EuGH – vorübergehend bezieht sich nicht auf den Arbeitsplatz

Der EuGH hat in der aktuellen Entscheidung festgelegt, dass das Merkmal „vorübergehend“ sich nicht auf den Arbeitsplatz bezieht, sondern dass sich das Merkmal nur auf die Modalitäten der Überlassung bezieht.

Der Kläger hatte selbst bei einer Beschäftigungsdauer von 55 Monaten keinen Anspruch auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.

Ein Anspruch des einzelnen Leiharbeitnehmers auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem entleihenden Unternehmen aus der Leiharbeitsrichtlinie selbst besteht somit nicht.

Hinsichtlich des Merkmals „vorübergehend“ trifft der EuGH keine klare Aussage.

Der EuGH nimmt jedoch dahingehend Stellung, dass ein missbräuchlicher Einsatz aufeinanderfolgender Überlassungen des Abreitnehmers / Leiharbeiters auf demselben Arbeitsplatz bei demselben entleihenden Unternehmen anzunehmen sei, wenn die Beschäftigungsdauer länger ist, als dass, was normalerweise als vorübergehend anzusehen ist.

Insbesondere gelte dies dann, wenn eine objektive Erklärung für den Abschluss mehrerer Leiharbeitsverträge gegeben ist.

Wie lange nun normalerweise als vorübergehend anzusehen ist, müssen jedoch die nationalen Gerichte feststellen. Eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wird wohl erwartet werden dürfen.

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Über uns

Herr Loibl hat die Kanzlei im August 2019 gegründet. Er hat sein Rechtswissenschaftliches Studium an der Universität Passau absolviert. Während des Referendariats am OLG München folgten Stationen bei der Staatsanwaltschaft Deggendorf, dem Landgericht Deggendorf.
Vor seinem Studium der Rechtswissenschaften war Herr Loibl bereits mehrere Jahre im Öffentlichen Dienst bei verschiedenen Behörden tätig.

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