Nein, der Reiseveranstalter hat keinen Anspruch auf eine Entschädigung bzw. Stornokosten, so das OLG Frankfurt am Main in seinem Urteil v. 20.06.2022, Az. 16 U 132/21.

 

Allgemeines zum Reiserücktritt

Bei einer Pauschalreise kann der Reisende nach § 651h BGB grds. immer vom Vertrag zurücktreten. Der Reiseveranstalter verliert den Anspruch auf den Reisepreis, kann aber Stornokosten bzw. eine Entschädigung verlangen!

Wie sieht es aus, wenn der Reisende die Reise wegen der Corona-Pandemie storniert!?

Sofern außergewöhnliche Umstände nach § 651h Abs. 3 BGB vorliegen, hat der Reiseveranstalter keinen Anspruch auf eine Entschädigung.

Unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände liegen dann vor, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich darauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären, § 651h III 2 BGB.

Der Begriff der höheren Gewalt wird nach dem neuen EU-Pauschalreiserecht nicht mehr verwendet. Durch zahlreiche Gerichtsentscheidungen ist bei der gegenwärtigen Covis-19-Pandemie unzweifelhaft das Vorliegen von unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen zu bejahen. Dies wird auch durch den Erwägungsgrund 31 der EU-Pauschalreiserichtlinie belegt, der den Ausbruch einer schweren Erkrankung ausdrücklich als Beispiel nennt.

Die außergewöhnlichen Umstände müssen am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe auftreten. Hierzu zählen auch Orte während der An- und Abreise zum Bestimmungsort. Nach Erwägungsgrund 31 soll ein kostenfreier Rücktritt auch dann gewährt werden, wenn eine sichere Reise an das vereinbarte Reiseziel unmöglich ist.

Die wichtigste Voraussetzung für außergewöhnliche Umstände ist das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung der Durchführung der Reise. Diese liegt vor, wenn im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bei objektiver Betrachtung eine sichere Reisedurchführung unmöglich ist, der Reisezweck also insgesamt in Frage steht. Auf die subjektive Einschätzung oder Angst des Reisenden kommt es nicht an (Führich, Basiswissen Reiserecht, Rn 123).

Für das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung sprechen folgende Indizien:

  • Reisewarnung des Auswärtigen Amtes,
  • Berichterstattung in den Medien,
  • Quarantäne Maßnahmen,
  • sonstige Maßnahmen am Urlaubsort etc.

Derjenige, der sich auf diese Indizien beruft, in der Regel der Reisende, hat damit glaubhaft gemacht, dass mit der Pandemie ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt.

Ausblick – Ist ein kos­ten­loser Rück­tritt möglich, wenn sich die Corona-Lage zuspitzt?

LOIBL LAW hat durch zahlreiche Klageverfahren erreicht, dass die Betroffenen Ihren Reisepreis zurückerstattet bekommen haben. Die aktuelle Entscheidung resultiert aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Düsseldorf.

Der Reisende hatte im Juni 2021 für August 2021 eine Mallorca-Reise für 1.028,00 EUR gebucht und am 28. Juli 2021 storniert. Der Reiseveranstalter verlangte eine Stornogebühr iHv. 977,00 EUR und verweigerte eine kostenlose Stornierung mit der Begründung, dass der Reise wusste, dass die Corona-Pandemie besteht und er mit Einschränkungen rechnen musste.

Das Gericht folgt der Argumentation von LOIBL LAW, dass zwar die Corona-Pandemie bestanden hat, jedoch Mallorca im Juli/August 2021 Hochrisikogebiet war und der Reisende diese Veränderungen nicht vorhersehen konnte.

 

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Auf den Zeitpunkt des Rücktritts kommt es an!

Gerne benennen die Reiseveranstalter für die Ablehnung eines kostenfreien Rücktritts, dass der Zeitpunkt für den Rücktritt zu früh oder zu spät erfolgt sei.

Das Gesetz trifft ausdrücklich keine Aussage darüber, zu welchem Zeitpunkt vor Reisebeginn die unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände vorzuliegen haben; sie müssen lediglich „auftreten“, d.h. dass es nach neuem Recht unerheblich ist, ob der außergewöhnliche Umstand bei Vertragsschluss oder bei der Kündigungserklärung oder kurz vor Reiseantritt vorliegt.

Somit ist die Rücktrittserklärung jederzeit zwischen Vertragsschluss und Reisebeginn abgegeben werden kann und ein bestimmter Zeitpunkt nicht einzuhalten ist.

Mittlerweile ist der erste Fall vor dem höchsten deutschen Zivilgericht, dem Bundesgerichtshof anhängig!

Umstritten ist, ob es hierbei ausschließlich auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ankommt oder auch die spätere Entwicklung zu berücksichtigen ist.

Der Bundesgerichtshof will wohl die weitere Entwicklung nach einem erklärten Rücktritt berücksichtigen. Die Richter am Bundesgerichtshof wollen jedoch unter Umständen die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegen!

Sachverhalt der OLG-Entscheidung

Ein Reisender hatte 2018 für sich und seine Ehefrau eine Reise nach Kanada für 6.000 EUR gebucht. Diese sollte im Juli/August 2020 stattfinden.

Im März 2020 stornierte der Reisende die Reise wegen der Corona-Pandemie. Es erfolgt eine Rückerstattung, jedoch behielt der Reiseveranstalter 10% des Reisepreises als Entschädigung ein.

Nach den Reisebedingungen des beklagten Reiseveranstalters entfällt im Fall des Rücktritts der Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Jedoch konnte der Reiseveranstalter nach den AGB eine angemessene Entschädigung verlangen, die bis zum 31. Tag vor Reisebeginn 25 % des Reisepreises beträgt.

Keine Entschädigung kann hingegen verlangt werden, „wenn am Bestimmungsort oder in unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigen“. Mitte März 2020 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er unter Symptomen des Corona-Virus leide und die Reise im Hinblick auf die Umstände u.a. in Kanada storniere.

Eine angebotene Verschiebung der Reise auf das Folgejahr lehnte er ab und begehrte vor dem Landgericht Rückzahlung des vollen Reisepreises. Die Beklagte zahlte nach Klageerhebung 90% zurück. Das Landgericht verurteilte die Beklagte auch zur Zahlung der zwischen den Parteien streitigen restlichen 10%.

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Entscheidung des OLG Frankfurt am Main

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts hatte keinen Erfolg. Das OLG bestätigte den kostenfreien Rücktritt des Reisenden und lehnte den Anspruch des Reiseveranstalters auf die Entschädigung ab.

Der Kläger könne Rückerstattung auch des restlichen Reisepreises verlangen. Der Entschädigungsanspruch des beklagten Reiseveranstalters sei vielmehr gemäß den Reisebedingungen im Hinblick auf vorliegende unvermeidbare außergewöhnliche Umstände, die die Reisedurchführung beeinträchtigten, ausgeschlossen.

Hinsichtlich der Beeinträchtigung sei prognostisch – ex ante – zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung zu beurteilen. Auf spätere – zwischen Rücktrittserklärung und ursprünglich geplanten Reisebeginn – eintretende geänderte Umstände komme es nicht an.

Das Rücktrittsrecht wegen nicht voraussehbarer außergewöhnlicher Umstände bestehe dann, wenn mit dem Eintritt des schädigenden Ereignisses mit erheblicher und nicht erst mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist, so das Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

Eine Eintrittswahrscheinlichkeit ab einer Größenordnung von 20 bis 25 % genüge in der Regel – sog. Hurrikan-Urteil des Bundesgerichtshofes.

Diese erhebliche Wahrscheinlichkeit habe bestanden, so das OLG Frankfurt am Main. Bei Kündigung / Stornierung durch den Reisenden haben bereits Reisebeschränkungen bestanden. Bei dem Corona-Virus und der möglichen Pandemie handele es sich um ein unberechenbares Geschehen. Die weitere Entwicklung konnte nicht vorhergesehen werden, sodass im März 2020 keine Prognosen aufgestellt werden konnte.

Könne keine Aussage über die Wahrscheinlichkeit des Eintritts für eine positive oder schlechte Prognose gemacht werden, bestehe eine Wahrscheinlichkeit von jeweils 50% zu 50%.

Soweit zwischen Rücktritt und Reisebeginn ein Zeitraum von vier Monaten gelegen habe, habe der Kläger auch nicht noch abwarten müssen, wie sich die Verbreitung und die Gefahren der Pandemie weiterentwickelten. Eine derartige Wartefrist sei gesetzlich nicht vorgesehen. Ein Zuwarten sei dem Reisenden auch nicht zumutbar.

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Über uns

Herr Loibl hat die Kanzlei im August 2019 gegründet. Er hat sein Rechtswissenschaftliches Studium an der Universität Passau absolviert. Während des Referendariats am OLG München folgten Stationen bei der Staatsanwaltschaft Deggendorf, dem Landgericht Deggendorf.
Vor seinem Studium der Rechtswissenschaften war Herr Loibl bereits mehrere Jahre im Öffentlichen Dienst bei verschiedenen Behörden tätig.

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