Das Arbeitsgericht (ArbG) Lübeck musste über eine fristlose Kündigung eines Kirchenmusikers entscheiden. Der Musiker hatte den Termin für eine Trauerfeier vergessen, da er einen Auftritt bei einem Kindermusical hatte.

Die Gemeinde kündigte dem Kirchenmusiker deswegen fristlos. Das Arbeitsgericht stellte jedoch fest, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar sei und die zuvor ausgesprochene Abmahnungen andere Abmahn-Themen betrafen – Urteil vom 15.06.203 – Az. 1 Ca 323 öD/23

Kurz und knapp – für den schnellen Überblick

  • Fristlose, außerordentliche Kündigung bei wichtigem Grund nach § 626 BGB,
  • Abmahnung grds. bei jeder Kündigung erforderlich,
  • Abmahnungen müssen den gleichen Sachverhalten / Vergehen betreffen,
  • Entbehrlichkeit der Abmahnung, wenn Vertrauensverhältnis zerrüttet,
  • Vorsatz für verweigern der Arbeitsleistung muss Arbeitgeber nachweisen,
  • Bestandsschutz durch lange Beschäftigungsdauer – Stichwort „Unkündbarkeit“

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Allgemeines zu Kündigungsformen / Verdachtskündigung

Das Arbeitsrecht kennt verschiedene Arten von Kündigungen:

  • Ordentliche Kündigung
  • Betriebsbedingte Kündigung
  • Verhaltensbedingte Kündigung
  • Personenbedingte Kündigung
  • Außerordentliche, fristlose Kündigung
  • Verdachtskündigung
  • Änderungskündigung

Fristlose, außerordentliche Kündigung

Eine außerordentliche Kündigung wird auch als fristlose Kündigung bezeichnet. Das Arbeitsverhältnis wird bei dieser Kündigungs-Form sofort endet.

Die fristlose Kündigung muss spätestens zwei Wochen, nachdem der kündigende Vertragspartner (Arbeitgeber) vom Kündigungsgrund erfahren hat, erteilt werden. Danach ist die fristlose Kündigung grds. unwirksam.

Voraussetzung ist das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes nach § 626 Abs. 1 BGB. Beispiele für eine wichtigen Grund zur Kündigung durch den Arbeitgeber sind,

  • Arbeitsverweigerungen
  • Straftaten – Diebstahl, Betrug (Arbeitszeitbetrug), Veruntreuung, Beleidigung etc.
  • herabwertende, geschäftsschädigende Äußerungen im Internet gg.über dem Arbeitgeber
  • Annahme von Schmiergeldern – Bestechung
  • Erschleichung einer Krankschreibung  – Stichwort Krankfeiern
  • Arbeit während der Krankschreibung
  • Verweigerung von Arbeitsanweisungen – Stichwort Weisungsrecht des Arbeitgebers
  • schwere Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften
  • vorsätzliche Arbeitszeitverstöße – ständige Unpünktlichkeit
  • Verrichten einer Nebentätigkeit, wenn Arbeitnehmer arbeitsvertragliche Pflichten verletzt

Wichtig:

Ein Arbeitnehmer kann wegen wiederholter sexueller Belästigung und/oder grober Arbeitsschutzverletzungen außerordentlich kündigen.

Wann muss der Arbeitgeber abmahnen?

Die Kündigung ist immer das härteste Mittel gegen ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers und sollte das letzte Mittel darstellen.

Grds. muss der Arbeitgeber vor jeder Kündigung eine Abmahnung aussprechen. Eine bestimmte Anzahl an Abmahnung ist gesetzlich nicht geregelt.

Hinsichtlich der außerordentlichen, fristlosen Kündigung ist die Abmahnung in § 314 BGB geregelt. Auch findet diese Regelung auf die ordentliche Kündigung Anwendung.

Eine Abmahnung hat 3 Funktionen:

Dokumentationsfunktion, das bedeutet, dass mit der Abmahnung ein Pflichtverstoß des Arbeitnehmers festgehalten wird.

Hinweisfunktion, d.h. der Arbeitgeber zeigt dem Arbeitnehmer ein Verhalten auf, welches die Abmahnung bedingt und einen Pflichtverstoß darstellt.

Warn- und Androhungsfunktion, verweist darauf, dass bei dem selben Verstoß / pflichtwidrigem verhalten arbeitsrechtliche Konsequenzen in Form einer Kündigung drohen.

Eine Abmahnung kann entbehrlich sein, wenn

  • nicht zu erwarten ist, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten in der Zukunft ändern wird,
  • bei schweren Vertrags-/Pflichtverletzungen,
  • das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zerstört ist und nicht wieder hergestellt werden kann.

Sachverhalt

Einem Kirchenmusiker wurde fristlos gekündigt, nachdem er eine Trauerfeier vergaß, für die er gebucht wurde.

Das Arbeitsgericht (ArbG) Lübeck gab der Kündigungsschutzklage des Kirchenmusikers Recht.

Der Kläger – der Kirchenmusiker – ist bei einer Kirchengemeinde seit mehr als 25 Jahren als Kirchenmusiker beschäftigt. Aufgrund seiner langjährigen Beschäftigung kann dem Kläger nicht mehr ordentlich gekündigt werden.

Der Kirchenmusiker wurde aber bereits in Jahr 2022 drei mal abgemahnt, jedoch wegen andere Sachverhalten.

Im Dezember 2022 sagte der Kläger gegenüber dem Gemeindebüro verbindlich die musikalische Begleitung einer vier Tage später stattfindenden Trauerfeier zu.

Noch am gleichen Tage sprach der zuständige Pastor die für die Trauerfeier vorgesehene Liederauswahl auf den Anrufbeantworter des Klägers.

Dieser erschien aber nicht zur Trauerfeier und war auch telefonisch nicht erreichbar. Einer Bitte des Pastors um Rückruf kam er auch nicht nach.

Drei Tage später entschuldigte sich der Kläger per E-Mail und begründete sein Fehlen mit einem seit Tagen anhaltenden Dauereinsatz für ein Kindermusical. Anzumerken ist, dass der Musiker das Musical selbst initiiert hatte.

Die Gemeinde hörte nach dem Vorfall die Mitarbeitervertretung an und erörterte die Situation während der Sitzung des Gemeinderates, um dann die außerordentliche, fristlose Kündigung auszusprechen.

Der Kirchenmusiker erhob gegen die Kündigung Klage zum Arbeitsgericht Lübeck.

Die beklagte Kirchengemeinde ging von vorsätzlichem Verhalten des Klägers aus und kündigte ihm unter dem 8. Februar 2023 außerordentlich.

außerdem „andere Themen“ betroffen (Urt. v. 15.06.2023, Az. 1 Ca 323 öD/23).

Entscheidung des Gerichts

Die Kündigungsschutzklage des Kirchenmusikers gegen die fristlose, außerordentliche Kündigung hatte Erfolg.

Als Begründung führte das Arbeitsgericht wie folgt aus:

Ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB sah das Gericht nicht als gegeben an. Zudem sei der Kirchengemeinde die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten, auch weil erwartet werden kann, dass der über 60-jährige Musiker sein Verhalten in Zukunft ändern werde.

Auch sah das Gericht keinerlei Anzeichen, dass der Musiker den Termin zur Trauerfeier vorsätzlich verpasst hat, sodass keine vorsätzliche Arbeitsverweigerung vorlag.

Das fahrlässige Übersehen der Trauerfeier, die fehlende Erreichbarkeit und das Verhalten im Nachhinein sind zwar gravierende Vertragsverstöße, welche sich der Musiker vorhalten lassen muss, diese reichen aber ohne eine vorherige thematisch einschlägige Abmahnung nicht zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung aus. Die gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Abmahnungen bezogen sich nach Auffassung des Arbeitsgerichts aber auf ganz andere Themen und konnten deshalb nicht zur Begründung der Kündigung herangezogen werden.

Weiter stellte das Gericht fest, dass der Kirchenmusiker aufgrund der bereits seit 15 jahren andauernden Beschäftigung nach dem Tarifvertrag kirchlicher Arbeitnehmer (KAT) angestellt war und somit das bestehende Arbeitsverhältnis fortbesteht. Eine ordentliche Kündigung ist somit wegen des Tarifvertrags und der langen Beschäftigungsdauer nicht mehr möglich.

Fazit

Arbeitnehmern können durch eine lange Beschäftigungsdauer einen erhöhten Bestandsschutz erreichen und somit nicht leicht gekündigt werden.

Eine Kündigung wegen eines Fehlverhaltens, sog. Verhaltensbedingte Kündigung, ist deshalb nur unter den strengen Voraussetzungen einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung möglich.

Vor einer Verhaltensbedingten Kündigung ist immer eine Abmahnung erforderlichen. Grds. reicht eine Abmahnung nicht aus. Erfolgt eine zweite Abmahnung, ist eine Kündigung nur möglich, wenn zwei Mal wegen desselben Fehlverhaltens abgemahnt wurde.

Zu beachten ist, dass eine Abmahnung entbehrlich sein kann. Dies dann, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gestört ist und nicht wieder hergestellt werden kann.

Arbeitnehmer sollten eine fristlose Kündigung wegen eines einmaligen Fehlverhaltens nicht hinnehmen.

 

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Über uns

Herr Loibl hat die Kanzlei im August 2019 gegründet. Er hat sein Rechtswissenschaftliches Studium an der Universität Passau absolviert. Während des Referendariats am OLG München folgten Stationen bei der Staatsanwaltschaft Deggendorf, dem Landgericht Deggendorf.
Vor seinem Studium der Rechtswissenschaften war Herr Loibl bereits mehrere Jahre im Öffentlichen Dienst bei verschiedenen Behörden tätig.

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