Ein Pauschalurlauber kann grds. jederzeit von seiner gebuchten Reise zurücktreten. Wird die Reise wegen außergewöhnlicher Umstände, wie Corona storniert, verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf Stornokosten!

Was ist, wenn ein Einreiseverbot erst nach dem Rücktritt des Reisenden beschlossen wird? Hat der Reiseveranstalter dann einen Anspruch auf Stornokosten oder ist eine kostenlose Reisestornierung möglich?

Die Reiseveranstalter haben den Reisenden trotz der gesetzlichen Regelung ihren Reisepreis nicht zurückerstattet, obwohl Reise teils unmöglich waren. Die Rückerstattung bei außergewöhnlichen Umständen wie einer Pandemie ist sogar gesetzlich geregelt. Viele Reisende warten bis heute auf ihr Geld.

Durch die Corona-Pandemie wurden seit dem Jahr 2020 von der jeweiligen Staatsregierungen vielerlei Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ergreifen, wie einem weltweiten Reiseverbot, der Schließung von Urlaubsregionen, Vergnügungsparks, Restaurants, Gaststätten und vielem mehr.

In einem Beschluss vom 02.08.2022 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dem EuGH die Frage, ob nach einem Reiserücktritt auftauchende Umstände den Anspruch des Reiseveranstalters auf Stornogebühren entfallen lassen können, vorzulegen – Bundesgerichtshof, Beschl. V. 02.08.2022 Az. X ZR 53/21.

Welcher Sachverhalt liegt der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu Grunde?

Im Januar 2020 buchte ein Reisender eine Pauschalreise vom 3. bis 12. April 2020 zu einem Preis von 6.148 Euro mit dem Ziel Japan. In den folgenden Wochen spitzte sich die Corona-Lage immer weiter zu, sodass die japanische Regierung i Februar beschlossen hat, für die kommenden Wochen sämtliche Großveranstaltungen komplett abzusagen.

Der Reisende trat aufgrund der Corona-Maßnahmen am 1. März 2020 von der Reise zurück. Der Reiseveranstalter berechnete Stornokosten in Höhe von insgesamt 1.537 EUR, d.h. 25 % des Reisepreises.

Am 26. März 2020 erlies die japanische Regierung ein Einreiseverbot. Aufgrund dieses Umstandes verlangte der Reisende die gezahlten Stornogebühren zurück. Dies lehnte der Reiseveranstalter ab, woraufhin der Reisende vor dem AG München klagte. Die Klage hatte zunächst Erfolg.

Das Gericht gab der Klage in voller Höhe statt und sprach ihm 1.537 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 255,85 Euro zu. Das Landgericht ging davon aus, dass zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung eine erhebliche Beeinträchtigung noch nicht hinreichend wahrscheinlich war.

Der Reiseveranstalter legte gegen das Urteil Berufung beim Landgericht (LG) München ein. Das Landgericht sprach dem Reisenden daraufhin einen Betrag von nur 14,50 Euro zuzüglich vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 83,54 Euro zu.

Dies nahm der Reisende nicht hin und klagte vor dem Bundesgerichtshof.

Pauschalreiserecht nach § 651h BGB – keine Stornogebühren bei außergewöhnlichen Umständen

Grds. kann, wie bereits ausgeführt der Reisende immer vor Reisebeginn von seiner gebuchten Reise zurücktreten. Der Reiseveranstalter hat einen Anspruch auf Entschädigung, sofern keine unvermeidbaren außergewöhnlichen Umstände im Sinne des § 651h Abs. 3 BGB vorliegen, die die Durchführung der Reise erheblich beeinträchtigen.

Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bei objektiver Betrachtung eine sichere Reisedurchführung unmöglich ist, der Reisezweck also insgesamt in Frage steht.

Das Gesetz trifft ausdrücklich keine Aussage darüber, zu welchem Zeitpunkt vor Reisebeginn die unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände vorzuliegen haben; sie müssen lediglich „auftreten“, d.h. dass es nach neuem Recht unerheblich ist, ob der außergewöhnliche Umstand bei Vertragsschluss oder bei der Kündigungserklärung oder kurz vor Reiseantritt vorliegt.

Somit ist die Rücktrittserklärung jederzeit zwischen Vertragsschluss und Reisebeginn abgegeben werden kann und ein bestimmter Zeitpunkt nicht einzuhalten ist.

Ansicht des Bundesgerichtshofes

Die zuständigen Richter am Bundesgerichtshof neigen dazu, die gesetzliche Regelung des § 651h BGB verbraucherfreundlich auszulegen, da Deutschland im sog. neuen Pauschalreiserecht (Gültig seit 1.7.2018) die Vorschrift des Art. 12 Abs. 2 der europäischen Pauschal-Reiserichtlinie nahezu wortgleich im § 651h BGB übernommen hat.

Entscheidend ist, ob auch Umstände zu berücksichtigen sind, die nach dem Rücktritt aufgetreten sind. Der Bundesgerichtshof sah die Entscheidung des Landgerichts München I als fehlerhaft an, da das LG München I sich mit der Frage befasst hatte, ob die Maßnahmen der japanischen Regierung vor dem erfolgten Rücktritt des Reisenden auf eine Infektionsgefahr hindeuteten oder nicht. Dier Umstand wäre jedoch unbeachtlich, wenn das nach dem Rücktritt verhängte Einreiseverbot dazu führt, dass die Erhebung der Stornogebühren deshalb unzulässig wäre. Das bedeutet, dass nachträglich auftretende Umstände zu berücksichtigen wären.

Voraussichtliche Entscheidung

Wenn der EuGH sich der Meinung der Richter am Bundesgerichtshof anschließet, dass Umstände, die erst nachträglich eintreten, zu berücksichtigen sind, würde dies bedeuten, dass Stornogebühren nicht erhoben werden dürfen und der Bundesgerichtshof für den Reisenden als Kläger entscheiden.

Sofern der EuGH der Ansicht des Bundesgerichtshofes nicht folgt, wird die Sache vom BGH an das Landgericht München I zurückverwiesen. Dann wiederum muss das LG München I klären, ob aufgrund der bereits getroffenen Maßnahmen zum Zeitpunkt des Rücktritts, die Reise erheblich beeinträchtigt und somit unmöglich gewesen wäre. Letzteres hätte zur Folge, dass der Reiseveranstalter keinen Anspruch auf eine Entschädigung gehabt hätte und diese dem Reisenden, dem Kläger zurückerstatten muss.

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Über uns

Herr Loibl hat die Kanzlei im August 2019 gegründet. Er hat sein Rechtswissenschaftliches Studium an der Universität Passau absolviert. Während des Referendariats am OLG München folgten Stationen bei der Staatsanwaltschaft Deggendorf, dem Landgericht Deggendorf.
Vor seinem Studium der Rechtswissenschaften war Herr Loibl bereits mehrere Jahre im Öffentlichen Dienst bei verschiedenen Behörden tätig.

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