Arbeitnehmerfreundliches Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein – Urt. v. 03.06.2020, Az. 1 Sa 72/20!
- Grds. verletzt der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten schwerwiegend, wenn er unentschuldigt fehlt. Tritt dieses Verhalten wiederholt auf, kann dies eine Kündigung rechtfertigen.
- Ein Arbeitnehmer der gleich zu Beginn der Probezeit für einen Tag unentschuldigt fehlt, kann daraufhin nicht fristlos (außerordentlich) gekündigt werden.
- Vor der Kündigung muss der Arbeitnehmer erst abgemahnt werden.
- Hierzu hat sich das Landesarbeitsgericht nun geäußert und auch, wann Kündigungsfristen in der Probezeit vertraglich verkürzt werden können.
- Ob ein Arbeitsverhältnis länger oder erst ein paar Tage besteht, vor einer fristlosen Kündigung muss zuerst eine Abmahnung ausgesprochen werden.
- In manchen Fällen ist eine Abmahnung entbehrlich, bspw. wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zerrüttet ist – wenn der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sein Verhalten zu ändern.
Festzuhalten bleibt, bei Pflichtverletzungen ist eine Abmahnung nicht entbehrlich. Dies gilt auch bei einer Vielzahl von einzelnen Pflichtverletzungen.
1. Kündigungsfrist(en) / Verkürzung der Kündigungsfrist während der Probezeit
Kündigungsfristen sind in § 622 BGB gesetzlich geregelt. Die Kündigungsfrist während der Probezeit regelt § 622 Abs. 3 BGB. Kündigungsfristen in der Probezeit dürfen nur Parteien eines Tarifvertrags verkürzen.
Von den Fristen des § 622 Abs. 1 – 3 BGB kann nur tarifvertraglich abgewichen werden (§ 622 Abs. 4 BGB).
Dies betrifft die Grundkündigungsfrist, Verlängerungen derselben und der Kündigungsfrist während der Probezeit. Derartige Anpassungen / Änderungen gehen den gesetzlichen Regeln vor!
Zulässig sind Verlängerungen und Verkürzungen.
Eine Vereinbarung, dass die Kündigung nicht zur Monatsmitte bzw. zum Monatsende, sondern zu einem anderen bestimmten Termin erfolgt ist zulässig.
Zudem können die Voraussetzungen einer Fristverlängerung nach § 622 Abs. 2 BGB geändert werden.
2. Sachverhalt der Gerichtsentscheidung
Die Arbeitnehmerin wurde auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 01.07.2019 zum 01.08.2019 vom Arbeitgeber als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte eingestellt.
Die Arbeitnehmerin nahm am 01.08.2019 ihre Arbeit auf. Am Montag, dem 05.08. sowie am 06.08.2019 arbeitete sie vereinbarungsgemäß nicht, da der Sohn in der Kindertagesstätte eingewöhnt wurde. Mit Schreiben vom 05.08.2019, der Klägerin vorab per Mail am 05.08.2019 und im Original zugegangen am 06.08.2019 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 12.08.2019.
Die Klägerin erschien am 07. und 08.08.2019 nicht zur Arbeit. Mit E-Mail vom 08.08.2019 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Kündigung ging der Arbeitnehmerin am 09.08.2019 schriftlich zu. Ebenfalls am 09.08.2019 ging beim Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den 08. und 09.08.2019 ein. Die am 01. und 02.08.2019 geleisteten 17,34 Arbeitsstunden rechnete der Arbeitgeber in der Folgezeit ab und zahlte die sich hieraus ergebende Vergütung.
Gegen beide Kündigungen hat die Arbeitnehmerin am 23.08.2019 Klage eingereicht, ohne den Zeitraum, für den das Arbeitsverhältnis fortbestehen sollte, einzugrenzen.
Die Arbeitnehmerin hielt die fristlose Kündigung für unwirksam. Wegen des Fehlens am 07.08.2019 hätte vor Ausspruch der Kündigung zuvor eine Abmahnung erfolgen müssen, am 08. und 09.08. sei sie arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Die fristgemäße Kündigung könne das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 20.08.2019 beenden, da die vereinbarte Abkürzung der Probezeit unwirksam sei.
3. Entscheidung des Gerichts
Das Gericht gab der Arbeitnehmerin hinsichtlich der fristlosen Kündigung und der unwirksamen Abkürzung der Kündigungsfrist recht.
Die fristlose Kündigung des Arbeitgebers vom 08.08.2019 sei unwirksam. Der Arbeitgeber habe ein etwaiges unentschuldigtes Fehlen vor Ausspruch einer Kündigung zunächst abmahnen müssen. Das Arbeitsverhältnis ende aufgrund der ordentlichen Kündigung innerhalb der Probezeit mit einer Frist von zwei Wochen am 20.08.2019.
Die von den Parteien vereinbarte Abkürzung der Probezeit sei wegen eines Verstoßes gegen § 622 Abs. 3 BGB unwirksam. Eine einwöchige Kündigungsfrist in der Probezeit sei unwirksam, denn das Gesetz sehe eine zweiwöchige Frist vor.
Grds. könnten Arbeitgeber und Arbeitnehmer hiervon nicht abweichen. Dies wäre nur im Rahmen einer tarifvertraglichen Regelung möglich. Arbeitgeber und Arbeitnehmer stünden sich bei einem Arbeitsvertrag nicht auf Augenhöhe gegenüber. Aufgrund des Arbeitnehmerschutzes ist deshalb eine Verkürzung der Kündigungsfrist im Arbeitsvertrag nicht möglich.
Abschließende Bewertung
Ein einmaliges unentschuldigtes Fernbleiben berechtigt den Arbeitgeber ohne vorherige Abmahnung nicht zur fristlosen Kündigung. Wie bei jeder Kündigung ist grds. eine Abmahnung erforderlich – sofern die Ausnahme der Entbehrlichkeit nicht greift. Festzuhalten ist, dass durch eine Abmahnung und der Androhung einer Kündigung bei wiederholtem fernbleiben vom Arbeitsplatz, der Arbeitnehmer zum korrekten Verhalten angehalten wird. Eine Anmahnung ist das mildere Mittel um eine Kündigung vermeiden zu können. Die Kündigung sollte immer das letzte Mittel sein!
Ihr Team von LOIBL LAW – der Rechtskanzlei aus Deggendorf!
Über uns
Herr Loibl hat die Kanzlei im August 2019 gegründet. Er hat sein Rechtswissenschaftliches Studium an der Universität Passau absolviert. Während des Referendariats am OLG München folgten Stationen bei der Staatsanwaltschaft Deggendorf, dem Landgericht Deggendorf.
Vor seinem Studium der Rechtswissenschaften war Herr Loibl bereits mehrere Jahre im Öffentlichen Dienst bei verschiedenen Behörden tätig.
Sie haben Fragen?
Reden Sie mit uns, wir helfen Ihnen und freuen uns auf Ihre Nachricht.