Seit dem 15.6.2020 hat das Auswärtige Amt für viele Länder die weltweiten Reisewarnungen aufgehoben.

Viele Reiseveranstalter weigern sich eine Stornierung oder Umbuchung kostenfrei vorzunehmen und reagieren teilweise schlichtweg nicht auf die Schreiben, E-Mails oder Anrufe der Reisenden!

Es stellen sich für den Reisenden mehrere Fragen:

  • Wann kann eine Reise grds. storniert oder gekündigt werden?
  • Was sind die Voraussetzungen für einen Rücktritt („Stornierung“)?
  • Können Reisen die erst im Juli oder August stattfinden storniert oder gekündigt werden?
  • Bekomme ich mein Geld zurück?
  • Was ist mit einer bereits erfolgten Anzahlung?
  • Was ist mit der fälligen bzw. zu leistenden Restzahlung?

Kann ich einen Rücktritt („Stornierung“) von einer Reise erklären?

  • Grds. kann jeder Reisende nach § 651h Abs. 3 BGB vor Beginn der Reise zurücktreten, d.h. stornieren.
  • Durch den Rücktritt („Stornierung“) verliert der Reiseveranstalter den  Anspruch auf den Reisepreis.
  • Sofern keine Epidemien wie im Fall des Corona-Virus bestehen, kann der Reiseveranstalter für die Stornierung ein Entgelt, quasi als Entschädigung verlangen.
  • 651h Abs. 3 BGB bestimmt, dass der Reiseveranstalter keinen Anspruch auf die Stornierungskosten hat, wenn am Urlaubsort außergewöhnliche, unvermeidbare Umstände vorliegen, welche die Reise als Ganze oder Teile davon erheblich beeinträchtigen.

Wann liegen außergewöhnlichen Umstände vor, was sind die Voraussetzungen?

Die Umstände nach § 651h Abs. 3 BGB liegen bspw. vor,

  • bei kriegsähnlichen Zuständen,
  • Terrorismus,
  • Gefahren für die Gesundheit, wie bei der SRAS-Epidemie.

Ein sehr wichtiges Indiz, was auch in der Rechtsprechung anerkannt ist, sind die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes.

Einzelne Voraussetzungen für Umstände nach § 651h Abs. 3 BGB

Außergewöhnliche, unvermeidbare Umstände

Entscheidend ist für das Vorliegen von derartigen Umständen, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich darauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären (§ 651h III 2 BGB). Bspw. wenn wie bei Corona, trotz Desinfektionsspendern, Abstandsregelungen, nach wie vor eine Ansteckungsgefahr besteht.

Hier erfolgt ein Hinweis auf den sog. Erwägungsgrund 31 der Pauschalreiserichtlinie:

Dieser Erwägungsgrund nennt ausdrücklich den Ausbruch einer schweren Erkrankung als Beispiel für außergewöhnliche, unvermeidbare Umstände, so wie in Form des Covis-19-Virus.

Auftreten am Betsimmungs-/Urlaubsort

Nach § 651h Abs. 2 Satz 1 BGB müssen die besonderen Umstände aus § 651h Abs. 3 BGB am Bestimmungs-/Urlaubsort oder in unmittelbarer Nähe auftreten.

Entscheidend ist hierfür wieder der Erwägungsgrund 31 der Pauschalreiserichtlinie:

Hiernach ist ein Rücktritt ohne Kosten für den Reisenden möglich, wenn das Reiseziel nicht sicher erreicht werden kann. Ist die Pan-/Epidemie bereits im Zeitraum der Anreise ausgebrochen, erfüllt dies auch die Voraussetzungen der unmittelbaren Nähe.

Gleiches gilt bspw. dann, wenn die Epidemie bereits bei der Anreise und einer Zwischenlandung ausgebrochen ist.

Erhebliche Beeinträchtigung

Nach § 651h Abs. 2 BGB ist Voraussetzung, dass die Reise erheblich beeinträchtig ist.

Entscheidend ist der Zeitpunkt des Rücktritts des Reisenden.

Nachfolgend sind einige Beispiele aufgeführt, welche eine erhebliche Beeinträchtigung begründen:

  • Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes, sowie anderer Staaten
  • Andere Arten von Beschränkungen wie Quarantäne-Maßnahmen, Hotelschließungen
  • Warnungen der Weltgesundheitsorganisation
  • Reisender gehört zur Risikogruppe – bspw. bei Atemwegserkrankungen, Herz- u. Kreislauferkrankungen etc.

Wichtig ist:

Für denjenigen, der sich auf diese Indizien beruft, besteht eine Beweislast, d.h. in der Regel der Reisende, muss den Beweis für das Vorliegen der Indizien, welche außergewöhnliche, unvermeidbare Umstände begründen, darlegen und glaubhaft machen.

Wenn bspw. der Reiseveranstalter derartige Beweise des Reisenden bestreite, muss dies wiederum darlegen und somit den Gegenbeweis erbringen.

Wann muss der Rücktritt erklärt werden?

Grundsätzlich gilt, je früher desto besser! Aber – § 651h Abs. 3 BGB benennt keinerlei Zeitpunkt für den Rücktritt. Auch fehlt im Gegensatz zur alten Rücktrittsregelung das Merkmal  der „Vorhersehbarkeit“, sodass festgehalten werden kann, dass die Rücktrittserklärung jederzeit zwischen Vertragsschluss und Reisebeginn abgegeben werden kann und ein bestimmter Zeitpunkt nicht einzuhalten ist. 

Welcher Zeitraum ist für die außergewöhnlichen Umstände entscheidend?

651h Abs. 3 BGB trifft keine explizite Aussage darüber zu welchem Zeitpunkt, d.h. von Vertragsschluss bis Reisebeginn, die außergewöhnlichen, unvermeidbare Umstände vorzulegen haben. Die außergewöhnlichen, unvermeidbare Umstände müssen lediglich auftreten.

Wann muss der Reiseveranstalter den Reisepreis zurückerstatten?

Nach § 651h Abs. 5 BGB hat der Reiseveranstalter den Reisepreis innerhalb von 14 Tagen zurückzuerstatten.

Kommt er der Aufforderung nicht nach, befindet er sich ab dem 15 Tag nach dem Rücktritt/der Stornierung in Verzug und der Reisende kann Verzugszinsen verlangen.

Kündigung vor Reisebeginn?

651l BGB sieht vor, dass der Reisende den (Pauschal-) Reisevertrag – auch vor Reisebeginn – kündigen kann.

Voraussetzung ist, dass ein Reisemangel vorliegt, der die Reise erheblich beeinträchtigt.

Für die Bewertung der erheblichen Beeinträchtigung ist eine Gesamtwürdigung der Umstände erforderlich, d.h. der Mangel muss ein besonders Gewicht haben. Zudem ist der Zweck, die konkrete Ausgestaltung der Reise, so wie Art und Dauer der Beeinträchtigung entscheidend.

Ein Mangel verliert nicht durch seinen geringen Reisepreis an Gewicht.

Der Corona-Virus und die Auswirkungen stellen einen Mangel im Sinne des § 651l BGB dar.

Rechtsfolgen der Kündigung

Wird der Reisevertrag gekündigt, so behält der Reiseveranstalter hinsichtlich der erbrachten oder noch zu erbringenden Reiseleistung den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis.

Hinsichtlich der nicht mehr zu erbringenden Reiseleistung entfällt der Anspruch des Reiseveranstalters und bereits geleistete Zahlungen sind den reisenden vom Reiseveranstalter zu erstatten.

Der Reisende kann gem. § 651l Abs. 2 BGB die Reise kostenfrei kündigen.

Was ist mit einer fälligen Restzahlung?

Der Pauschalreisevertrag ist ein gegenseitiger Vertrag, d.h. der Reisende ist verpflichtet den Reisepreis zu zahlen. Der Reiseveranstalter hingegen ist verpflichtet die Reise frei von Mängeln zu verschaffen.

Der Reisende hat solange ein Verweigerungsrecht, bis die Gegenleistung erbracht ist, § 321 BGB.

Wichtig ist, dass der Reisende vor Rücktritt die sog. Unsicherheitseinrede nach § 321 BGB erhebt, d.h. er muss sein Leistungsverweigerungsrecht ausdrücklich erklären.

Die Einrede entfällt jedoch, wenn der Reisende vor Reisebeginn zurücktreten will, da damit die Fälligkeit des Reisepreises sowieso entfällt.

Eine Sicherheit kann der Reiseveranstalter nicht stellen, da die Durchführbarkeit der Reise von behördlichen Verboten und der Ausbreitung der Covis- 19-Pandemie abhängt. Beides kann er nicht beeinflussen.

Was ist mit einer Restzahlung nach Ablauf der Reisewarnung?

Wie bereits erwähnt, sind die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes ein wichtiges Indiz für das Vorliegen von außergewöhnlichen, unvermeidbaren Umständen.

Berücksichtigt man die Umstände, nach denen die Reisewarnungen ausgesprochen wurden, kann man sicher davon ausgehen, dass auch nach dem 15. Juni 2020 und den nun teilweise nicht mehr vorliegenden Reisewarnungen von außergewöhnlichen, unvermeidbaren Umständen ausgehen kann.

Entscheidend ist, dass eine Wahrscheinlichkeit des Eintreffens der unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände genügt. Das Hurrikan-Urteil des BGH lässt sich sicher nicht 1: 1 auf die Covid-19-Pandemie übertragen, doch bedeutet die allseits bekundete Unsicherheit, dass von einer Wahrscheinlichkeit von – sehr optimistisch geschätzt – 1: 1 auszugehen ist, dass im Sommer 2020 Auslandsreisen durchgeführt werden können. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies nicht möglich sein wird, liegt damit weit über der vom BGH seinerzeit gezogenen Grenze, so dass die Voraussetzungen für eine kostenlose Kündigung einer für den Juli/August 2020 gebuchten Reise nach § 651h Abs. 3 BGB bereits jetzt vorliegen.

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Über uns

Herr Loibl hat die Kanzlei im August 2019 gegründet. Er hat sein Rechtswissenschaftliches Studium an der Universität Passau absolviert. Während des Referendariats am OLG München folgten Stationen bei der Staatsanwaltschaft Deggendorf, dem Landgericht Deggendorf.
Vor seinem Studium der Rechtswissenschaften war Herr Loibl bereits mehrere Jahre im Öffentlichen Dienst bei verschiedenen Behörden tätig.

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