Eine Leiharbeitnehmerin darf für dieselbe Arbeit schlechter entlohnt werden wie vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers („equal pay“), so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urt. v. 31.05.2023, Az. 5 AZR 143/19.

Der Sachverhalt der Entscheidung

Geklagt hatte eine Frau, die einem Einzelhandel als Kommissioniererin überlassen worden war. Ihr Lohn für diese Arbeit lag bei 9,23 Euro die Stunde. Vergleichbare Stammarbeiternehmer bekamen 13,64 Euro für dieselbe Arbeit. Sie verlangte im Nachhinein auf gerichtlichem Wege die Zahlung des entsprechenden Differenzbetrags.

Die Klägerin war aufgrund eines nach § 14 Abs. 2 TzBfG befristeten Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten, einem Einzelhandelsunternehmen als Kommissioniererin im Zuge der Leiharbeit beschäftigt.

Sie verdiente 9,23 Euro brutto/Stunde. Vergleichbare Stammarbeitnehmer hingegen erhielten für dieselbe Arbeit einen Stundenlohn von 13,64 Euro brutto.

Die Leiharbeitnehmerin verfolgte mit ihrer Klage unter Berufung auf den Gleichstellungsgrundsatz des § 8 Abs. 1 AÜG,

*§ 8 Abs. 1 und Abs. 2 AÜG besagen:

„(1) Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (Gleichstellungsgrundsatz). …

(2) Ein Tarifvertrag kann vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet. Soweit ein solcher Tarifvertrag vom Gleichstellungsgrundsatz abweicht, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren. …“

für den Zeitraum Januar bis April 2017 den Differenzvergütung iHv. 1.296,72 Euro brutto.

Das Argument der Klägerin war, dass das auf ihr Leiharbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit Anwendung findende Tarifwerk von Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) und ver.di sei mit Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL,

Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/EG lautet:

„Die Mitgliedstaaten können nach Anhörung der Sozialpartner diesen die Möglichkeit einräumen, auf der geeigneten Ebene und nach Maßgabe der von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen Tarifverträge aufrechtzuerhalten oder zu schließen, die unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern, welche von den in Absatz 1 aufgeführten Regelungen abweichen können, enthalten können.“

und der dort verlangten Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer nicht vereinbar. Es findet eine Ungleichbehandlung statt.

Vorinstanzen / Aussetzung des Verfahrens

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Revision der Klägerin blieb vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos.

Um unionsrechtliche Fragen zu klären, hatte der Senat zunächst mit Beschluss vom 16. Dezember 2020 (- 5 AZR 143/19 (A) – BAGE 173, 251) das Revisionsverfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit der von Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL verlangten, aber nicht näher definierten „Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern“ ersucht.

Diese hat der EuGH mit Urteil vom 15. Dezember 2022 (- C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement]) beantwortet.

Lesen Sie hierzu unseren Beitrag zu Equal-Pay

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt, also auf ein Arbeitsentgelt, wie es vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers erhalten. Die „Ungleichbehandlung werde ausgeglichen.

Aufgrund des Tarifvertrags war das beklagte Unternehmen Tarifgebundenheit nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AÜG und § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG aF nur verpflichtet, die tarifliche Vergütung zu zahlen.

Dieses Tarifwerk genügt, jedenfalls im Zusammenspiel mit den gesetzlichen Schutzvorschriften für Leiharbeitnehmer, den Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL.

Trifft der Sachvortrag der Klägerin zur Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer zu, hat die Klägerin zwar einen Nachteil erlitten, weil sie eine geringere Vergütung erhalten hat, als sie erhalten hätte, wenn sie unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz von dem entleihenden Unternehmen eingestellt worden wäre.

Eine solche Schlechterstellung lässt aber Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL ausdrücklich zu, sofern dies unter „Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer“ erfolgt.

Nach Vorgabe des EuGH müssen Ausgleichsvorteile eine Neutralisierung der Ungleichbehandlung ermöglichen. Ein möglicher Ausgleichsvorteil kann nach der Rechtsprechung des EuGH sowohl bei unbefristeten als auch befristeten Leiharbeitsverhältnissen die Fortzahlung des Entgelts auch in verleihfreien Zeiten sein.

Die Klägerin als Leiharbeitnehmerin hatte für die verleihfreie Zeit das Entgelt weiter erhalten, sodass hierdurch ein Ausgleich zur Ungleichbehandlung vorliegt.

Das Tarifwerk von iGZ und ver.di gewährleistet die Fortzahlung der Vergütung in verleihfreien Zeiten. Zudem hat der deutsche Gesetzgeber mit § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG – welcher folgendes besagt,

Das Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Verleihers (§ 615 Satz 1 BGB) kann nicht durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden; § 615 Satz 2 BGB bleibt unberührt,

für den Bereich der Leiharbeit zwingend sichergestellt, dass Verleiher das Wirtschafts- und Betriebsrisiko für verleihfreie Zeiten uneingeschränkt tragen.

Auch hat der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass die tarifliche Vergütung von Leiharbeitnehmern staatlich festgesetzte Lohnuntergrenzen und den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten darf.

Zudem ist seit dem 1. April 2017 die Abweichung vom Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts nach § 8 Abs. 4 Satz 1 AÜG zeitlich grundsätzlich auf die ersten neun Monate des Leiharbeitsverhältnisses begrenzt.

Die „Ungleichbehandlung der Klägerin werde ausreichend kompensiert und Ihr ein gesetzlicher Schutz zustehe, hat die Klägerin keinerlei Anspruch auf die geforderten „Nachzahlung“.

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Herr Loibl hat die Kanzlei im August 2019 gegründet. Er hat sein Rechtswissenschaftliches Studium an der Universität Passau absolviert. Während des Referendariats am OLG München folgten Stationen bei der Staatsanwaltschaft Deggendorf, dem Landgericht Deggendorf.
Vor seinem Studium der Rechtswissenschaften war Herr Loibl bereits mehrere Jahre im Öffentlichen Dienst bei verschiedenen Behörden tätig.

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