Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urt. v. 08.06.22, Az. 6 Sa 1118/21 festgestellt,

dass  die Sozialauswahl bei Kündigungen nur die Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer zu umfassen hat. Die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer wird durch deren Versetzbarkeit begrenzt. Bei nicht versetzbaren Arbeitnehmern muss die Sozialauswahl daher Standortbezogen erfolgen.

Geklagt hatte ein Flugkapitän, der seit 1.11.99 bei der beklagten Fluggesellschaft beschäftigt war. Die Fluggesellschaft verkleinerte Ihre Flotte und kündigte deswegen vielen Flugkapitänen betriebsbedingt.

Betriebsbedingten Kündigung und Sozialauswahl

Insbesondere bei ordentlichen betriebsbedingten Kündigungen ist eine Sozialauswahl aufgrund des Kündigungsschutzgesetzes erforderlich.

Anhand der Sozialauswahl wird bestimmt, wer gehen muss oder bleiben darf!

Der Arbeitgeber muss die Sozialauswahl anhand von gesetzlichen Kriterien nach dem Kündigungsschutzgesetz treffen. Hat der Arbeitgeber die Sozialauswahl nicht oder fehlerhaft durchgeführt, ist die betriebsbedingte Kündigung unwirksam.

Eine Sozialauswahl ist vom Arbeitgeber dann durchzuführen, wenn er eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung aussprechen möchte. Der Arbeitgeber muss dabei das Kündigungsschutzgesetz beachten. Das Kündigungsschutzgesetz ist dann anwendbar und zu beachten, wenn die Arbeitnehmer/Mitarbeiter länger als sechs Monate im Betrieb beschäftigt sind und das Unternehmen mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt. Wichtig ist auch, dass es mehr betroffene Arbeitgeber geben muss, als Kündigungen ausgesprochen werden sollen. Will ein Arbeitgeber dagegen nur eine Arbeitsstelle/einen Arbeitsplatz streichen, für die es im Betrieb keine vergleichbaren Arbeitnehmer gibt, muss er keine Sozialauswahl durchführen.

Erforderliche Schritte der Sozialauswahl sind,

  • Ermittlung der vergleichbaren Arbeitnehmer als Adressaten einer Kündigung
  • Ermittlung der Arbeitnehmer mit niedrigster Schutzbedürftigkeit
  • Ermittlung der ausgenommenen Arbeitnehmer von der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetzt

Wenn die zu kündigenden Arbeitnehmer ermittelt sind, ist die Sozialauswahl anhand von gesetzlichen Kriterien durchzuführen.

Die Kriterien bei der Sozialauswahl sind,

  • die Betriebszugehörigkeit
  • das Lebensalter des Beschäftigten
  • Unterhaltspflichten
  • eine bestehende Schwerbehinderung des Arbeitnehmers

Sachverhalt der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf

Die Fluggesellschaft wollte Ihre Flotte verkleinern und vereinbarte mit der Vertretung des Bordpersonals einen sog. Interessenausgleich dahingehend, dass die Flotte auf 22 Flugzeuge reduziert werde und dies auch die Schließung von sechs Standorten bedingte. In der Vereinbarung hieß es, dass durch die Flottenverkleinerung und der Standortschließungen im Bereich des Cockpit- und Kabinenpersonals die Beschäftigtenzahl anzupassen sei. Dabei dürfte die tariflich vereinbarte Zahl von 370 Cockpitmitarbeitenden nicht unterschritten werden. Der tatsächliche Bedarf an Cockpitpersonal liege – so der Vortrag der Beklagten – aufgrund der Betriebsänderung sogar nur noch bei 340.

Mit Schreiben vom 27.03.2021 kündigte die Fluggesellschaft das Arbeitsverhältnis eines ihrer Flugkapitäne, der seit dem 01.11.1999 bei ihr beschäftigt war, außerordentlich betriebsbedingt zum 31.12.2021.

Der gekündigte Kapitän erhob Kündigungsschutzklage gegen die betriebsbedingte Kündigung. Das noch vorhandene Cockpitpersonal sei nicht in der Lage, ohne überobligatorische Arbeit das verbliebene Flugaufkommen zu bedienen. Alle Mitarbeitenden müssten Mehrflugstunden leisten. Die Sozialauswahl sei zudem nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Die Fluggesellschaft erachtete die Kündigung für wirksam. Der Beschäftigungsbedarf für den Kläger sei entfallen. Die Sozialauswahl habe sie zutreffend einheitlich und bundesweit bezogen auf alle Stationen durchgeführt, so die Airline.

Entscheidung des LAG Düsseldorf

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf gab der Klage des Piloten recht:

Die Kündigung sei jedenfalls aufgrund fehlerhafter Sozialauswahl rechtsunwirksam. Die Fluggesellschaft habe die gemäß § 1 Abs. 3 KSchG vorgesehene Sozialauswahl nicht bundeseinheitlich vornehmen dürfen. Die Beklagte durfte die gemäß § 1 Abs. 3 KSchG vorgesehene Sozialauswahl nicht bundeseinheitlich vornehmen. Die Sozialauswahl ist nur innerhalb der Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durchzuführen.

Ebene diese Gruppe wird durch die arbeitsvertraglich vorgesehene Versetzbarkeit begrenzt. In einer Vielzahl von Arbeitsverträgen hatte die Beklagte mit dem Cockpitpersonal einen sog. „dienstlichen Wohnsitz“ vereinbart, ohne sich die Versetzung an einen anderen Ort ausdrücklich vorzubehalten. Auch der Arbeitsvertrag des Klägers enthielt die Vereinbarung eines „dienstlichen Wohnsitzes“, nämlich den Ort seiner Station.

Im Übrigen hieß es in dem Arbeitsvertrag lediglich, dass die Beklagte sich für die Zeit der Einarbeitung die Versetzung an einen anderen Ort vorbehielt. Bei dieser vertraglichen Situation durfte die Fluggesellschaft den Kläger nach der Einarbeitung nicht an eine andere Station versetzen. Die Vergleichbarkeit der zu Kündigenden war mithin auf die Station begrenzt. Die von der Airline davon abweichende falsche bundesweite Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sei somit fehlerhaft und die Kündigung sozial ungerechtfertigt und deshalb rechtsunwirksam.

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Über uns

Herr Loibl hat die Kanzlei im August 2019 gegründet. Er hat sein Rechtswissenschaftliches Studium an der Universität Passau absolviert. Während des Referendariats am OLG München folgten Stationen bei der Staatsanwaltschaft Deggendorf, dem Landgericht Deggendorf.
Vor seinem Studium der Rechtswissenschaften war Herr Loibl bereits mehrere Jahre im Öffentlichen Dienst bei verschiedenen Behörden tätig.

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