Mit seinem Urteil vom 22.09.2022 – Az. C-120/21 hat der Europäische Gerichtshof das Recht auf Urlaub der Arbeitnehmer gestärkt und geurteilt, dass die deutschen Regelungen zur Verjährung der Urlaubsansprüche unionsrechtswidrig sind.

Die nationalen Verjährungsregelungen sind unionsrechtlich auszulegen.

Deutsche Verjährungsregelung

Nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzesbuch (BGB) verjähren die meisten Ansprüche nach drei Jahren. Entscheidend kann dabei dann oft die Frage sein, ab wann die Verjährungsfrist von drei Jahren denn zu laufen beginnen.

Sachverhalt der Entscheidung

Eine Steuerfachangestellte und ihr Arbeitgeber stritten sich um die Urlaubsabgeltung. Die Angestellte war von 1996 bis 2017 in der Steuerkanzlei beschäftigt. Im Jahr 2011 und auch die Jahre davor konnte die Steuerfachangestellte wegen des hohen Arbeitspensums in der Kanzlei die ihr zustehenden 24 Urlaubstage nicht vollständig nehmen. Am Anfang des Jahres 2012 erhielt die Angestellte eine Bestätigung, dass die nicht genommenen 76 Urlaubstage, nicht wie üblich am 31.03.2012, verfallen würden. Auch in der Zeit danach konnte die Angestellte ihre Urlaubstage nicht zur Gänze nehmen. Der Arbeitgeber kam jedoch seiner Hinweispflicht, dass der Urlaub verfallen würde jedoch nicht nach und forderte die Mitarbeiterin auch nicht auf, den Urlaub einzubringen.

Die Mitarbeiterin verlangte 2018 die Abgeltung von 101 Urlaubstagen aus dem Jahr 2017 und den Vorjahren zuvor, der Arbeitgeber wiederum verweigerte dies und berief sich auf die Verjährung der Ansprüche.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Bevor die Entscheidung zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) gelangte, waren das Arbeitsgericht (ArbG) Solingen und das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf mit dem Fall beschäftigt.

Das Arbeitsgericht Solingen wies die Klage mit der Begründung ab, dass die Ansprüche verjährt seien, Urteil v. 19.02.2019, Az. 3 Ca 155/18.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf wiederum gab der Klägerin Recht und sprach ihr den Anspruch zu, Urt. v. 02.02.2020, Az. 10 Sa 180/19.

Der Arbeitgeber wendete gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ein. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) legt mit seinem Vorlagebeschluss v. 29.09.2020 – Az. 9 AZR 266/20 dem Europäischen Gerichtshof die Sache zur Vorabentscheidung vor.

Der Europäische Gerichtshof sollte die Frage klären,

ob trotz der Verletzung der Hinweispflicht durch den Arbeitgeber, eben dass die Urlaubsansprüche verfallen können, die Urlaubsansprüche nach §§ 194, 195 BGB verjähren und dies das Unionsrecht gestattet.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) betonte, dass mit der Verjährungsregelung Rechtsklarheit geschaffen werden sollte.

Entscheidung des EuGH

Die Richter am Europäischen Gerichtshof stärkten wie zu Beginn bereits ausgeführt die Rechte der Arbeitnehmerin.

Aufgrund der sog. Schlussanträge des Generalanwalts am EuGH v. 05.05.2022 – Az. C-120/21 konnte bereits erahnt werden, wie die Entscheidung ausfallen würde, da dieser es für den Eintritt der des Beginns der Verjährung für erforderlich hielt, dass die Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zuvor über die Rechte aufgeklärt und entsprechend informiert worden sein muss. Erst wenn der Arbeitgeber dieser Pflicht nachgekommen ist, könne er sich auf einen möglichen Verjährungsbeginn berufen. Die Arbeitgeber sollten nicht für eine Pflichtverletzung belohnt werden, indem sie sich auf eine Verjährung berufen können, die Arbeitnehmer jedoch nicht informiert hätten.

Die nationale Verjährungsregelung nach §§ 194, 195 ff. BGB stehe den Vorgaben der Arbeitszeitrichtlinie entgegen, so die Richter am EuGH. Insbesondere dann, wenn Arbeitnehmer durch die Nichtaufklärung des Arbeitgebers in eine Lage versetzt würden, in der der Verfall der Urlaubsansprüche droht.

Notwendig ist somit die die positive Kenntnis der Rechtslage um den Beginn der Verjährung anzustoßen. Die Kenntnis der tatsächlichen Umstände allein reicht nicht.

Die Richter am Europäischen Gerichtshof stärkten mit dieser Entscheidung ihre bisherige Rechtsprechung. Die Richter am Bundesarbeitsgericht waren nicht immer einer Meinung mit den europäischen Richterkolleginnen und Kollegen, wenn es im Fragen des Erlöschens von Urlaubsansprüchen ging.

Aber auch die Richterinnen und Richter am Bundesarbeitsgericht haben mit dem Urt. v. 19.02.2019, Az. 9 AZR 423/16 entscheiden, dass Unternehmen ihre Beschäftigten über die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Urlaub hinweisen müssen, damit die Ansprüche erlöschen. Dies zeigt, dass die nationale Sichtweise anders ist als die europäische.

Fazit

  • Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten ihren Anspruch auf Urlaubsabgeltung prüfen lassen, da die Unternehmen, die Arbeitgebern die Darlegungs- und Beweislast trifft, ob sie ihren Mitwirkungspflichten zur Information der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nachgekommen sind.
  • Schafft der Arbeitgeber dies nicht, kann er sich nicht auf die Verjährung berufen und ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung besteht.

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Herr Loibl hat die Kanzlei im August 2019 gegründet. Er hat sein Rechtswissenschaftliches Studium an der Universität Passau absolviert. Während des Referendariats am OLG München folgten Stationen bei der Staatsanwaltschaft Deggendorf, dem Landgericht Deggendorf.
Vor seinem Studium der Rechtswissenschaften war Herr Loibl bereits mehrere Jahre im Öffentlichen Dienst bei verschiedenen Behörden tätig.

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