Nach den Schlussanträgen der Generalanwältin am EuGH Medina, sei die Corona-Pandemie zwar höhere Gewalt, jedoch müssten Reiseveranstalter Reisenden eine Minderung des Reisepreises gewähren, wenn diese die Reise wegen Corona abbrechen müssen/mussten.

 

 Sachverhalt

In einem Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts München I vom 29.6.2021 in der Sache KT, NS gegen FTI Touristik GmbH hat das Gericht dem EuGH die Frage vorgelegt,

„Stellen Einschränkungen im Hinblick auf eine am Reiseziel herrschende Infektionskrankheit eine Vertragswidrigkeit im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2015/2302 auch dann dar, wenn aufgrund der weltweiten Verbreitung der Infektionskrankheit solche Einschränkungen sowohl am Wohnort des Reisenden als auch in anderen Ländern vorgenommen wurden?“

Die Kläger im Verfahren vor dem Landgericht München I buchten am 30. Dezember 2019 eine vierzehntägige Urlaubsreise von Deutschland auf die Kanarischen Inseln / Spanien, für den Zeitraum vom 13. März 2020 bis 27. März 2020. Die Kläger traten ihre Urlaubsreise wie vorgesehen an.

Pandemie bedingt wurden jedoch am 15. März 2020 die Strände gesperrt und es trat eine Ausgangssperre in Kraft. In der Hotelanlage der Kläger wurden Pools und Liegen gesperrt und das Animationsprogramm eingestellt.

Die Kläger durften das Zimmer nur zum Essen oder zur Abholung von Getränken verlassen. Am 18. März 2020 wurde den Klägern von den Behörden mitgeteilt, dass sie sich ständig bereit zu halten hätten, um sich innerhalb einer Stunde zum Flughafen zu begeben. Nach sieben Tagen endete ihre Reise und sie kehrten nach Deutschland zurück.

Die Kläger erhoben gegen die Beklagte, die FTI Touristik GmbH, beim Amtsgericht München Klage mit der Forderung einer Preisminderung für 7 Tage in Höhe von 70 % des anteiligen Reisepreises. Mit Urteil vom 26. November 2020 wies dieses Gericht die Klage mit der Begründung ab, dass Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit von Reisenden aufgrund eines tödlichen Virus keinen Reisemangel im Sinne von § 651i BGB darstellten.

Die Kläger legten beim vorlegenden Gericht Berufung ein. Das vorlegende Gericht führt aus, dass § 651i BGB zwar eine verschuldensunabhängige Haftung des Reiseveranstalters vorsehe. Daher könnte möglicherweise die Ansicht vertreten werden, dass der Reiseveranstalter für die Einschränkungen durch Maßnahmen zum Gesundheitsschutz hafte. Zum Reisezeitpunkt seien jedoch auch in Deutschland entsprechende Einschränkungen angeordnet worden. Die von den spanischen Behörden erlassenen Maßnahmen könnten daher möglicherweise nicht als außergewöhnliche Umstände am Reiseort, sondern als normale, europaweit als Reaktion auf die Pandemie ergriffene Maßnahmen anzusehen sein.

Außerdem hält das vorlegende Gericht für klärungsbedürftig, ob die angeordneten Einschränkungen möglicherweise als „allgemeines Lebensrisiko“ angesehen werden könnten, das vom Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2015/2302 auszunehmen sei

  

Allgemeines zum Reiserecht

Aufgrund des Pauschalreiserechts nach §§ 651a ff. BGB hat der Reisende, wenn ein Reisemangel vorliegt, die Rechte aus § 651i BGB.

651i Abs. 3 BGB besagt:

Ist die Pauschalreise mangelhaft, kann der Reisende, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nichts anderes bestimmt ist,

  1. nach § 651k Absatz 1 Abhilfe verlangen,
  2. nach § 651k Absatz 2 selbst Abhilfe schaffen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen,
  3. nach § 651k Absatz 3 Abhilfe durch andere Reiseleistungen (Ersatzleistungen) verlangen,
  4. nach § 651k Absatz 4 und 5 Kostentragung für eine notwendige Beherbergung verlangen,
  5. den Vertrag nach § 651l kündigen,
  6. die sich aus einer Minderung des Reisepreises (§ 651m) ergebenden Rechte geltend machen und
  7. nach § 651n Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.

 

Ein Reisemangel liegt auch vor, wenn der Reiseveranstalter Reiseleistungen nicht oder mit unangemessener Verspätung verschafft.

 

  • 651m Abs. 1 BGB bestimmt:

„Für die Dauer des Reisemangels mindert sich der Reisepreis. Bei der Minderung ist der Reisepreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Pauschalreise in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln.“

Auch die EU-Richtlinie zum Pauschalreiserecht enthält eine Regelung zur Reisepreisminderung!

Art. 14 („Preisminderung und Schadenersatz“) der Richtlinie 2015/2302 lautet:

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Reisende Anspruch auf eine angemessene Preisminderung für jeden Zeitraum hat, in dem eine Vertragswidrigkeit vorlag, es sei denn, der Reiseveranstalter belegt, dass die Vertragswidrigkeit dem Reisenden zuzurechnen ist.

(2) Der Reisende hat gegen den Reiseveranstalter Anspruch auf angemessenen Ersatz des Schadens, den er infolge der Vertragswidrigkeit erlitten hat. Der Schadenersatz ist unverzüglich zu leisten.

(3) Der Reisende hat keinen Anspruch auf eine Entschädigung, wenn der Reiseveranstalter nachweist, dass die Vertragswidrigkeit

  1. a) dem Reisenden zuzurechnen ist,
  2. b) einem Dritten zuzurechnen ist, der an der Erbringung der in dem Pauschalreisevertrag inbegriffenen Reiseleistungen nicht beteiligt ist, und die Vertragswidrigkeit weder vorhersehbar noch vermeidbar war oder
  3. c) durch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände bedingt war.

Rechtliche Würdigung / Ansicht der Generalanwältin

Nach Ansicht der Generalanwältin am EuGH hat der Reisende einen Anspruch auf Reisepreisminderung. Der Reiseveranstalter wird von dieser Minderungspflicht nicht befreit.

Zwar seien die behördliche Maßnahmen Pandemie bedingt im März 2020 erlassen worden und grds. als höhere Gewalt anzusehen, jedoch bleibt das Recht auf Minderung des Reisepreises hiervon unberührt.

Die Verpflichtung des Reiseveranstalters zur Gewährung einer Preisminderung nach § 651m BGB oder nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2015/2302 entsteht in ihrem Umfang nicht unbegrenzt.

Der Umfang der Verpflichtung kann nur anhand der im Pauschalreisevertrag inbegriffenen Leistungen beurteilt werden, deren Nichterbringung oder mangelhafte Erbringung die Vertragswidrigkeit begründen.

Der Reisende hat sowohl nach § 651m BGB, als auch nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2015/2302 Anspruch auf eine „angemessene“ Preisminderung.

Einen bestimmten Satz, Pauschalbetrag oder eine bestimmte Berechnungsmethode hat der Gesetzgeber nicht festgelegt. Die Festlegung der Höhe der „angemessenen“ Minderung obliegt den nationalen Gerichten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls.

LOIBL LAW – die Rechtskanzlei, Ihre Experten im Reiserecht!

WIR beraten Sie als Reisenden in allen Fragen und Angelegenheiten des Reiserechts.

Wir handeln schnell, unkompliziert und lösungsorientiert. Unser Ziel, Ihre Rechte Sichern und schützen!

Sie können sich jederzeit unverbindlich an uns unter 0991/38306131, per E-Mail mail@loibl-law.de oder über die weiteren Kontaktmöglichkeiten auf unserer Website www.loibl-law.de mit der Online-Chat-Funktion oder per WhatsApp melden.

Weitere Infos und Antworten zu reiserechtlichen Fragen finden Sie auf unserer Website unter loibl-law.de/fokus/reiserecht

Ihr Team von LOIBL LAW!

Über uns

Herr Loibl hat die Kanzlei im August 2019 gegründet. Er hat sein Rechtswissenschaftliches Studium an der Universität Passau absolviert. Während des Referendariats am OLG München folgten Stationen bei der Staatsanwaltschaft Deggendorf, dem Landgericht Deggendorf.
Vor seinem Studium der Rechtswissenschaften war Herr Loibl bereits mehrere Jahre im Öffentlichen Dienst bei verschiedenen Behörden tätig.

Sie haben Fragen?

Reden Sie mit uns, wir helfen Ihnen und freuen uns auf Ihre Nachricht.

    11 − 11 =