Das Amtsgericht (AG) Hanau in seinem Urteil vom 31.01.2024 – Az. 39 C 111/23 entschieden, dass ein Verkäufer von Fahrzeugen aufgrund einer AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) nicht von seiner Pflicht befreien kann, das Fahrzeug innerhalb einer angemessenen Zeit zu liefern.
Aufgrund von AGB könne eine Lieferzeit nicht beliebig lange hinausgezögert werden.
Kurz und Knapp
- Mittels AGB kann Lieferzeit von Fahrzeugen nicht beliebig hinausgezögert werden.
- Lieferung muss innerhalb angemessener Frist erfolgen.
- Nichtlieferung innerhalb angemessener Frist berechtigt Käufer zum Rücktritt.
- Grds. kein allgemeines Rücktrittsrecht beim Autokauf.
- AGB-Regelungen zu Lieferzeiten können unwirksam sein.
- § 271 BGB bestimmt die sofortige Fälligkeit der Lieferung.
Rücktritt vom Autokauf jederzeit möglich?
Nein, das ist ein Irrtum!
Grundsätzlich gilt – pacta sunt servanda, d.h. Verträge sind einzuhalten!
Das gilt auch selbstverständlich auch beim Autokauf. Durch seine Unterschrift unter den Kaufvertrag ist der Käufer bzw. die Käuferin gebunden.
Eine Frist zum Rücktritt gibt es nur bei speziellen Verträgen, wie
- Kreditverträgen – z.B. Leasingverträge.
- Fernabsatzverträgen – Verträge die über Telefon, Mail oder Internet abgeschlossen werden.
Es gibt kein allgemeines Rücktrittsrecht, bei dem man innerhalb einer gewissen Frist von einem (Kauf-)Vertrag zurücktreten könnte.
Vorliegen eines Mangels
Ein Rücktritt vom Kfz-Kaufvertrag ist beim Kauf eines gebrauchten oder neuen Autos nur möglich, wenn ein erheblicher Mangel am Fahrzeug vorliegt.
Ein Mangel liegt dann vor, wenn das Fahrzeug nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist, § 434 Abs. 1 und Abs. 2 BGB.
Der Mangel darf zudem nicht zumutbar und unerheblich sein.
Wichtig:
Der Bundesgerichtshof – kurz BGH – hat in seinem Urteil vom 28.05.2014 – Az. VIII ZR 94/13 entschieden, wann ein Sachmangel „unerheblich“ ist.
Erheblich ist ein Sachmangel dann, wenn die Mängelbeseitigungskosten mehr als 5 % des Kaufpreises betragen. Erst ab dieser Kostenhöhe ist also die sogenannte Bagatellgrenze überschritten.
Mangel zum Zeitpunkt des Kaufs
Der Mangel muss bereits zum Kaufzeitpunkt vorgelegen haben.
Die Auto-Verkäufer greifen gerne zu der Argumentation, dass das Fahrzeug bei der Überführung, der Heimfahrt „kaputt gegangen“ ist.
Diese Aussage ist jedoch eine reine Schutzbehauptung und zudem irrelevant, weil für den Käufer/die Käuferin die sog. Beweislastumkehr greift.
Das bedeutet, dass nach dem Gesetzt – § 477 BGB – innerhalb eines Jahres (zuvor 6 Monate) nach Gefahrübergang, d.h. ab Übergabe des Fahrzeugs vermutet wird, dass ein Mangel quasi „mitgekauft“ wurde – also der Mangel schon bei Übergabe vorlag.
Wichtig ist, dass es sich um einen sog. Verbrauchsgüterkauf handelt, d.h. das Fahrzeug muss von einem Verbraucher (nicht gewerblich) von einem Unternehmer erworben haben.
Übrigens gilt dies nach einem Urteil des BGH v. 14.09.2005 – Az. VIII ZR 363/04 auch bei Karosserie-Schäden.
Der Verkäufer muss also das Gegenteil beweisen können.
Fristsetzung zur Nacherfüllung
Wird ein erheblicher Mangel festgestellt, muss der Käufer den Mangel unverzüglich, d.h. innerhalb von 14 Tagen ab Kenntniserlangung, dem Verkäufer gegenüber den Mangel anzeigen.
Zunächst muss der Käufer dem Verkäufer im Rahmen der sog. Nacherfüllung (§ 439 BGB) das Recht einräumen den Mangel zu beseitigen – sog. Recht zur zweiten Andienung.
Hier steht dem Käufer ein Wahlrecht zu, d.h. das Recht auf Nacherfüllung durch Mangelbeseitigung oder das Recht auf Neulieferung eines gleichen Fahrzeugs.
Erst nach erfolglosem zweitem Reparaturversuch oder wenn der Verkäufer jegliche Nachbesserung oder Ersatzlieferung ernsthaft verweigert, kann der Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären.
Wichtig:
Eine Fristsetzung kann entbehrlich sein und der Rücktritt sofort erklärt werden!
Dies ist dann der Fall, wenn dem Käufer die Nacherfüllung unzumutbar ist – § 440 S. 1 BGB.
Das ist der Fall, wenn das Vertrauen des Käufers in eine sachgerechte Vertragserfüllung des Verkäufers nachhaltig gestört ist, z.B. wenn der Verkäufer einen Mangel der Sache arglistig verschwiegen hat.
Rücktrittserklärung
Als letzte Voraussetzung muss der Käufer, wenn er sich zu Rücktritt entschieden hat, diesen gegenüber dem Verkäufer erklären.
Dem Verkäufer muss unmissverständlich zu verstehen gegeben werden, dass die Erfüllung des Kaufvertrages nicht mehr erwünscht ist, sondern die Folgen des Rücktritts auslösen möchte, also Rückgabe des Fahrzeugs gegen Rückzahlung des Kaufpreises.
Der Käufer hat nach dem wirksamen Rücktritt Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises. Auch kann er Ersatz seiner notwendigen Aufwendungen, die mit dem Fahrzeugkauf einhergingen, verlangen.
Wichtig ist,
Gegenstand eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs sind auch die zu dessen Durchsetzung erforderlichen Rechtsverfolgungskosten (BGH, NJW 1986, 2243).
Dabei sind an die Voraussetzungen des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt – so das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Beschluss vom 01.09.2005 – 1 W 17/05.
Das heißt, wenn der Autohändler/Verkäufer die Rückerstattung des Kaufpreises ablehnt und der Mangel erheblich ist, dann darf sich der Käufer eines Rechtsbeistandes bedienen, um seine Rechte durchzusetzen.
Wie ist die Rechtslage bei einem Privatkauf eines Fahrzeugs
Wenn ein Käufer ein Fahrzeug von einem privaten Verkäufer gekauft hat, dann kann der Verkäufer die Gewährleistungshaftung vollkommen im Kaufvertrag ausschließen.
In der Regel enthalten die Kaufverträge folgende Formulierungen:
„Gekauft wird das Fahrzeug so, wie der Käufer es Probe gefahren und besichtigt hat.“
Der Verkäufer kann die Gewährleistung nur dann nicht ausschließen, wenn
der private Verkäufer eine Garantie für eine bestimmte Eigenschaft übernommen oder
einen Mangel arglistig nicht mitgeteilt hat.
Wichtig ist,
dass beim Privatkauf der Käufer beweispflichtig ist, d.h. der Käufer muss die vom Verkäufer eingeräumte Garantie oder die Arglist nachweisen.
Ein Verkäufer muss alle für die Kaufentscheidung wesentlichen Mängel ansprechen.
Auch bei Formulierungen in Privatkaufverträgen, wie
“Unfallschäden lt. Vorbesitzer: Nein“.
stehen dem Käufer die Gewährleistungsansprüche zu, so der BGH, Urteil vom 12.03.2008, VIII ZR 253/05.
Bei Kenntnis des Verkäufers eines Unfallschadens muss er diese Tatsache dem potenziellen Käufer mitteilen.
Ein Mangel liegt sodann bereits darin, dass es sich bei dem Fahrzeug um einen Unfallwagen handelt.
Auch wahrheitswidrige Angaben zum Kilometerstand, dem Baujahr oder das Datum der Erstzulassung berechtigen den Käufer zum Rücktritt, weil derartige Angaben über das Fahrzeug wesentliche Angaben sind, die die Kaufentscheidung beeinflussen.
Der Käufer darf hierbei wahrheitsgemäße Angaben erwarten.
Sachverhalt der Entscheidung
Der Kläger, ein Verbraucher, kaufte im Juli 2022 von der Beklagten einen Neuwagen zum Preis von 20.759,88 €.
Die Beklagte, ein KFZ-Händler, konnte keinen Liefertermin für das Fahrzeug nennen, weil der Fahrzeughersteller wegen Störungen der Lieferkette keine Zusagen bezüglich der Produktion machen konnte; auch Lieferzeiten von über einem Jahr waren möglich.
Darauf wies die Beklagte den Kläger im Verkaufsgespräch hin. In den AGB (Allgemeinen Geschäftsbedingungen) der Beklagten, welche in den Kaufvertrag einbezogen wurden, war folgende Regelung enthalten:
„Aufgrund der aktuellen Liefersituation werden alle Bestellungen ohne Liefertermin und unverbindlich vorbehaltlich einer Produktion bestätigt.“
Von August 2022 bis Juni 2023 erkundigte sich der Kläger monatlich wegen des Liefertermins und setzte der Beklagten schriftlich im Juni 2023 erfolglos eine Frist zur Lieferung des Fahrzeugs bis zum 03.07.2023.
Mit Schreiben vom 12.07.2023 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Die Beklagte verlangte daraufhin dem Kläger mit Rechnung vom 21.07.2023 „Storno-Gebühren“ in Höhe von 3.113,98 €.
Mit der Herstellung des von dem Kläger bestellten Fahrzeugs wurde noch nicht begonnen.
Die Argumentation des Klägers war, dass ein Rücktritt vom Kaufvertrag erfolgte und kein Anspruch auf Schadensersatz im Sinne von Storno-Gebühren seitens der Beklagten besteht.
Zudem war der Kläger der Ansicht, die AGB-Klausel unwirksam sei, da diese unangemessen ist und den Kläger benachteilige.
Die Beklagte heilt dagegen, dass der Kläger nicht wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten sei und durch die endgültige Weigerung, das bestellte Fahrzeug abzunehmen, schadensersatzpflichtig ist.
Die Höhe des Schadensersatzes belaufe sich gemäß ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf 15 % des Kaufpreises.
Entscheidung des Gerichts
Das Amtsgericht (AG) Hanau hat entschieden, dass der KFZ-Händler keinen Anspruch auf Schadensersatz in Form der Stornogebühren hat.
Die Klage sei begründet, so das Gericht. Die Beklagte hat gegen den Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von 3.113,98 € als Schadensersatz aufgrund des Rücktritts des Klägers von dem Kaufvertrag vom 25.07.2022.
Der Kläger ist wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten aufgrund eines ihm nach §§ 323 Abs. 1, 433 BGB zustehenden Rücktrittsrechts.
Die Beklagte hat eine fällige Leistung, nämlich die Übergabe des Neufahrzeugs, nicht erbracht.
Bei der Klausel-Regelung zum Liefertermin handelt es sich um AGB im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Nach § 308 Nr. 1 BGB ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen insbesondere unwirksam eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält.
Der Klausel lässt sich weder konkret noch annäherungsweise entnehmen, wann eine Lieferung des Neufahrzeugs erfolgt, schon weil die Produktion des Fahrzeugs als Voraussetzung einer Lieferung offengehalten wird. Im Ergebnis tritt Fälligkeit nach der Regelung des § 271 Abs. 1 BGB sofort ein.
271 Abs. 1 BGB bestimmt,
dass, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist, der Gläubiger die Leistung sofort verlangen kann. Hiernach tritt im Zweifel sofortige Fälligkeit ein.
Auch hatte der Kläger eine angemessene Frist zur Lieferung gesetzt. Seit Vertragsschluss war 18 Monate vergangen. Dieser Zeitraum übersteigt die Dauer einer angemessenen Frist deutlich, so das Gericht.
Die Pflichtverletzung der Beklagten – die Nichtlieferung des Fahrzeugs – ist auch nicht nur unerheblich, weil die Lieferung des gekauften Fahrzeuges für den Käufer das zentrale Element des Kaufvertrags war.
Unabhängig davon kann die Beklagte derzeit keinen Schadensersatz von dem Kläger verlangen, weil es an einem Verschulden des Klägers fehlt. Der abzunehmende Gegenstand, das gekaufte Fahrzeug, war mangels Produktion noch gar nicht existiert, sodass dem Kläger keinerlei Abnahmeverweigerung vorgeworfen werden kann.
Da das Fahrzeug noch nicht produziert war, sei der Beklagten, dem KFZ-Händler noch kein Schaden entstanden, so das Gericht.
Fazit
Die Verbraucherrechte werden durch die vorliegende Entscheidung des AG Hanau richtig angewandt.
Unternehmer können Lieferzeiten durch AGB nicht beliebig verlängern.
Die Lieferzeit muss angemessen sein. Verbraucher sollte die Regelungen der AGB der Unternehmer bei Lieferschwierigkeiten prüfen lassen und dem Unternehmer nach angemessener Wartezeit eine Frist zur Lieferung setzen.
Wenn die Lieferzeit aufgrund einer unzulässigen Regelung in den AGB des Händlers nicht hinreichend bestimmt ist, den Verbraucher, den Käufer unangemessen benachteiligt, kann sich der Händler nicht darauf berufen. Es gilt § 271 Abs. 1 BGB, der bestimmt, dass der Käufer als Gläubiger die Leistung sofort verlangen kann. Im Zweifel tritt sofortige Fälligkeit ein.
Sofern die gesetzte Frist des Käufers erfolglos verstreicht, kann er durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Händler vom Kaufvertrag zurücktreten.
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Über uns
Herr Loibl hat die Kanzlei im August 2019 gegründet. Er hat sein Rechtswissenschaftliches Studium an der Universität Passau absolviert. Während des Referendariats am OLG München folgten Stationen bei der Staatsanwaltschaft Deggendorf, dem Landgericht Deggendorf.
Vor seinem Studium der Rechtswissenschaften war Herr Loibl bereits mehrere Jahre im Öffentlichen Dienst bei verschiedenen Behörden tätig.
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