Nach dem Beschluss des Bundesarbeitsgericht (BAG) gilt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bereits jetzt – Beschl. V. 13.09.2022, Az. 1 ABR 22/21.

  •  Arbeitgeber sind nunmehr verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.
  •  Diese Pflicht ergebe sich aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG. Diese Pflicht hat bereits der Europäische Gerichtshof (EuGH) zuvor festgelegt.
  •  Die Arbeitgeber sind nunmehr verpflichtet für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen, so das Bundesarbeitsgericht!

Sachverhalt der Entscheidung

Der Entscheidung lag der Sachverhalt zu Grunde, dass ein Betriebsrat und die Arbeitgeber einer Wohneinrichtung eine Vereinbarung zur Arbeitszeit und auch zur Arbeitszeiterfassung im Jahr 2018 geschlossen haben.

Da eine Einigung nicht zustande gekommen ist, hat der Betriebsrat unter Berufung seines Initiativrechts die Einführung einer Arbeitszeiterfassung gefordert hat und deshalb die Einigungsstelle – elektronische Zeiterfassung – angerufen hat. Die Arbeitgeber erhoben Rüge, da nach ihrer Ansicht keine Zuständigkeit des Betriebsrates bestehe. Der Betriebsrat wiederum begehrte die Feststellung, dass ihm ein derartiges Recht zustehe.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat dem Antrag des Betriebsrates zunächst stattgegeben – Beschl. V. 27.07.2021, Az. 7 TaBV 79/20.

Die Arbeitgeber erhoben hiergegen die Rechtsbeschwerde. Ihr Argument war, dass kein Initiativrecht zur Einführung eines Arbeitszeiterfassungs-Systems besteht.

Die Klage wurde vom BAG abgewiesen, da das Mitbestimmungsrecht nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) nur bestehe, wenn derartige betriebliche Angelegenheiten nicht schon gesetzlich geregelt sind. Dies sei aber bereits der Fall, sich die gesetzliche Pflicht aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG (Arbeitsschutzgesetz) ergebe. Ein Initiativrecht des Betriebsrates sei hierdurch ausgeschlossen.

Rechtslage / EuGH-Urteil aus 2019

Bisher war es in Deutschland, in deutschen Unternehmen so, dass nur die Überstunden erfasst wurden. Dies reicht nun nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr aus. Dies ergab sich aus § 16 Abs. 2 S. 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) wonach Arbeitgeber nur verpflichtet waren, Überstunden und Sonntagsarbeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzuzeichnen.

§ 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ist nach der EuGH-Entscheidung aus dem Jahr 2019 – 14.05.2019, Az. C-55/18 europarechtskonform auszulegen, sodass der deutsche Gesetzgeber zum handeln verpflichtet war. Der EuGH legte in seiner Entscheidung fest, dass Arbeitgeber durch die jeweiligen Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, ein verlässliches und zugängliches System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzuführen.

Dies sei für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unerlässlich um ihren Anspruch auf Ruhezeiten/pausen durchsetzen zu können.

Das Bundesarbeitsgericht kommt mit seiner Entscheidung dem Gesetzgeber zuvor. Laut dem EuGH-Urteil waren die jeweiligen Mitgliedsstaaten, so auch der deutsche Gesetzgeber verpflichtet, anhand einer gesetzlichen Regelung ein entsprechendes System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen, entscheiden.

Der deutsche Gesetzgeber hat bis zum heutigen Tag keine Neuregelung des Arbeitszeitgesetzes vorgenommen. Selbst im Koalitionsvertrag der Drei-Parteien-Regierung findet sich lediglich ein Abschnitt, in dem erklärt wird, man werde einen entsprechenden Anpassungsbedarf prüfen.

Auswirkungen für Unternehmen

  • Die Vorgaben aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts gelten ab sofort!
  • Eine Vertrauensarbeitszeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern ist nicht mehr möglich!
  • Problem – aus dem EuGH-Urteil und dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts gibt es keine klaren Vorgaben hinsichtlich des einzuführenden Systems!
  • Zu beachten ist, dass das Arbeitsschutzgesetz nicht für Selbständige, für leitende Angestellte, insbesondere für Geschäftsführer und nicht für Hausangestellte in privaten Haushalten gilt!

Rechte der Arbeitnehmer

  • Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben aufgrund des Urteils folgende Rechte:
  • Anrufung des Betriebsrat – Kontrollaufgabe des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Evtl. Verstoß des Arbeitgebers gegen die Verpflichtung zur Einführung eines Arbeitszeiterfassungs-Systems.
  • Direkte Aufforderung des Arbeitgebers, wenn kein Betriebsrat vorhanden und/oder Meldung an die zuständige Arbeitsschutzbehörde (Gewerbeaufsichtsamt o. Landesamt für Arbeitsschutz).

Folge des Urteils

Zwar wurde die Klage abgewiesen und juristisch gesehen haben die Arbeitgeber mit der Rechtsbeschwerde Erfolg, jedoch erreichten Sie nunmehr genau das Gegenteil, da aufgrund des Urteils des BAG eine europarechtskonforme Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz erfolgt, das BAG dem deutschen Gesetzgeber zuvorkommt und die Arbeitgeber nunmehr zur Einführung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet sind.

Ein Verstoß gegen des Arbeitsschutzgesetz kann nach § 25 ArbSchG mit Bußgeldern bis zu 25.000 EUR geahndet werden.

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Herr Loibl hat die Kanzlei im August 2019 gegründet. Er hat sein Rechtswissenschaftliches Studium an der Universität Passau absolviert. Während des Referendariats am OLG München folgten Stationen bei der Staatsanwaltschaft Deggendorf, dem Landgericht Deggendorf.
Vor seinem Studium der Rechtswissenschaften war Herr Loibl bereits mehrere Jahre im Öffentlichen Dienst bei verschiedenen Behörden tätig.

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